Unter schwebenden Lasten lauert der Tod
So steht es geschrieben. Unter Kränen, an Therapeutinnenennenwänden, dem Eingang der lokalen CrossFit-Box, dem Zeppelinhafen in Staaken, auf Grabstätten in der Lausitz, fern, fern im tibetischen Hochland und auf der ersten Seite des Oktavhefts vom Dünnen – natürlich geschrieben in Sütterlin.
Wer sich der schwebenden Last schuldig macht
Nahe der Last schwebender Schuldiger lauert
Wer sein eigenes Schicksal überdauert
Während Regens listig wacht
Wer sich schwebend in die Luft begibt
An der eignen Last das Herz verbiegt
Wer niemals rastet, niemals liebt:
Dem lauert der Tod, der immer siegt.
Nun, des Todes zu sein, das ist wohl normal. Menschlich gar. Jeder, der lebt, ist auch des Todes. Die Frage ist nur: Wann und wie. Und mit wie meine ich nicht Hackebeil, Ewing Sarkom, eine sanfte Fahrt nach der Schweiz und ‘Gute Nacht’. Ich meine die Art, wie wir dem Tod begegnen: Voller Furcht, alles zu verlieren, was wir aufgebaut haben? Voller Sühne, unser Ziel verpasst zu haben? Voller Inbrunst, blind? Voller Hass, Leidenschaft oder ? Voller Milde, voller Dankbarkeit? Voller Wärme, mit einem sanften Nicken, dem Blick auf das fallende Laub in unserem Garten?
Und so begibt es sich eines frühen Abends, dass der Dünne auf dem Dach eines Hochhauses im Senftenberger Ring sitzt, die Sonne auf den nackten Schultern, eine Parisienne im Mundwinkel. Das Feuer zum Mund, ein tiefer Zug, die Arme weit, die Augen zu. Und fallen. Fallen erst, aber dann! Schweben. Denn wenn unter schwebenden Lasten der Tod auch lauert, so begrüßt uns über diesen sicher das Leben, die Herrlichkeit und das Licht.
Bin ich die Last, bin ich der Tod?
Geh ich durchs Mark, bin ich die Not?
Bin ich die Last, bin ich das Licht?
Wer niemals wagt, der weiß es nicht.